Die Vita der Properzia de’ Rossi bildet eine bemerkenswerte Ausnahme unter den biografischen Betrachtungen Vasaris: sie ist die einzige weibliche Künstlerin, der er sein Augenmerk schenkt. Der weiblichen Schaffenskraft billigt Vasari zwar Begabung und Einfallsreichtum zu, weniger jedoch eine ratio. Im Fall der Properzia »beweist« Vasari diese Irrationalität durch die Schilderung der leidenschaftlichen Liebe der Künstlerin zu einem jungen Mann. Auch in den anderen Biografien - über den ebenso begabten wie routinierten Steinmetz Andrea da Fiesole, den bedeutenden toskanischen Bildhauer Andrea Sansovino oder über Torrigiani, den Widersacher Michelangelos, dem er im legendären Streit das Nasenbein brach, des weiteren über Benedetto da Rovezzano, Baccio und Raffaello da Montelupo sowie Giovanfrancesco Rustici - breitet Vasari immer wieder seine Ansichten zur Kunsttheorie aus: ein hervorragender Künstler sei nur der, bei dem sich Einfühlung, Intelligenz, umfassende Bildung, Urteilskraft und guter Geschmack mit dem disegno verbänden. Und wer kein gewandtes Auftreten habe, werde nie ein richtiger Hofkünstler. Deutsche Erstausgabe.